Dagmar Henn: Unter die Räuber fallen

übernommen von Dagmar Henns Blog Das Kalte Herz

Inzwischen dürfte sich die Zahl jener, die hinter Merkels Politik der offenen Grenzen humanitäre Motive vermuten, deutlich verringert haben. Und eine Reihe Nebenwirkungen waren von Anfang an sichtbar – der Angriff auf die Souveränität benachbarter Staaten, der Testlauf, ob die Exekutive einen rechtswidrigen Zustand mitträgt, die geförderte Spaltung der Bevölkerung in Freunde und Gegner der plötzlichen Migration, der steigende Druck auf Arbeits- wie Wohnungsmarkt. Aber mir fehlte immer noch ein Baustein, mir fehlte der fassbare materielle Gewinn.

Inzwischen bin ich mir sicher: es geht um das kommunale Eigentum. Genauer gesagt, es geht um die Enteignung des kollektiven Besitzes der Bürger.

Um das zu erläutern, muss ich etwas ausholen.

Die fehlgeschlagene Attacke

Etwa vor zehn Jahren endete der erste Versuch, die Kommunen zu weitreichenden Privatisierungen zu bringen. Die Jahre davor waren gepflastert mit Skandalen über PPP-Projekte (public private partnership, übersetzt öffentlich-private Partnerschaft), die allesamt mit massiven Verlusten für die Kommunen endeten. Bertelsmann, bei Privatisierung immer ganz vorn dabei, zog seinen Versuch zurück, die Kommunalverwaltung der Stadt Würzburg zu übernehmen. Der Griff nach dem kommunalen Eigentum war am Widerstand der Bürger gescheitert.

Zwei Dinge waren dabei ausschlaggebend. Zum ersten erschließt es sich auch dem Ahnungslosesten recht schnell, dass ein privates Unternehmen Gewinn machen will, und dieser Gewinn zusätzlich zu den Kosten der eigentlichen Leistung bezahlt werden muss. Selbst wenn eine Kommune ein Projekt über einen Kredit finanzieren muss, ist das in der Regel günstiger als eine solche ‚Partnerschaft‘. Genau so ergab es sich auch in jenen Fällen, in denen z.B. Schulbauten als PPP-Projekte errichtet wurden. Die Bauleistungen waren schlecht, die Kosten dafür aber desto höher. Augenblicklich ist das Zinsniveau auch für Kommunen sehr niedrig; klar, dass die Flucht in solche Projekte, die meist dadurch ausgelöst wurde, dass die jeweilige Kommune keine Kredite mehr aufnehmen konnte, wollte oder durfte, nicht sehr attraktiv ist.

Ein Beispiel für diese Auseinandersetzungen ist die Privatisierung der Wasserversorgung in Berlin. Hintergrund war die Verschuldung des Landes Berlin, die weitere Kredite zu teuer machte; formell handelte es sich um einen Verkauf, und die steigenden Kosten landeten direkt beim Bürger, der Landeshaushalt musste keine weiteren Kredite aufführen. Zu privater Wasserversorgung liegen aber bereits reichlich negative Erfahrungen aus Großbritannien vor; die Qualität sinkt, die Preise steigen dafür aber erheblich… kein Wunder also, dass sich beträchtlicher Widerstand regte, bis hin zu einem Volksentscheid, der die Rücknahme des Verkaufs erzwang.

Das abgebrochene Projekt der Bertelsmann-Tochter Arvato ließ erkennen, dass es noch um mehr geht als nur den auf den ersten Blick erkennbaren kommunalen Besitz, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe etwa. Arvato wollte in Gestalt eines ‚Bürgerbüros‘ Teile der kommunalen Verwaltung übernehmen, z.B. die Kfz-Zulassung und das Einwohnermeldewesen. Für die Datenkrake Arvato, die Adress- und Scoringhandel betreibt, eine Zugriffsmöglichkeit auf Daten, die Google wie einen Waisenknaben dastehen hätte lassen. Die Stadt hätte, so das Verkaufsargument von Arvato, dafür eine moderne digitale Verwaltung erhalten.

Ein anderer Bereich, in dem während dieser ersten Welle Privatisierungen stattfanden, war die Abfallwirtschaft. Auch dort gab es reihenweise negative Erfahrungen; die Kosten stiegen deutlich, aber die Beschäftigten wurden schlechter entlohnt.

Dieser erste Anlauf führte letztlich zu einer gegenläufigen Entwicklung – Kommunen bemühten sich, Stadtwerke, die bereits verkauft waren, wieder unter ihre Kontrolle zu bringen; Gewerkschaften wie verdi warben mit Aktionstagen für das öffentliche Eigentum an Dienstleistern der Grundversorgung; der politische Trend ging, zumindest auf kommunaler Ebene, gegen den neoliberalen Mainstream.

Nun braucht man nicht zu glauben, dass Konzerne wie Bertelsmann nach einer Niederlage aufgeben. Zehn Jahre lang wurde geplant und vorbereitet. Jetzt ist die Falle aufgebaut für einen erneuten Anlauf. Und diese Falle ist so konstruiert, dass Widerstand weitgehend unmöglich gemacht wird.

Ein Blick auf kommunale Finanzen

Um zu verstehen, was die Flüchtlingswelle mit kommunalen Finanzen zu tun hat, muss man sich ein wenig mit diesen Finanzen beschäftigen.

Die Tätigkeiten einer Kommune teilen sich in zwei Felder: in freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben. Pflichtaufgaben sind all die Dinge, für die gesetzlich die Kommune zuständig ist. Das betrifft die Abfallwirtschaft, die Jugendhilfe, die Unterbringung von Wohnungslosen, aber auch eine ganze Reihe von Verwaltungsaufgaben, die die Kommune im Auftrag z.B. des Bundes vollzieht, wie die oben erwähnte Kfz-Zulassung. Die Aufwendungen für jene Tätigkeiten, die übertragen sind, werden erstattet. Die Aufwendungen für kommunale Pflichtaufgaben, die nicht zum übertragenen Aufgabenkreis gehören, bleiben im kommunalen Haushalt.

Freiwillige Aufgaben sind die meisten Dinge, die man an einer Kommune schätzt – Kulturförderung etwa, Schwimmbäder, Sportplätze… Wenn die Stadtkasse leer ist, ist das in diesem Bereich sofort zu spüren. Bürger in ärmeren Bundesländern, NRW zum Beispiel, haben Erfahrung damit, wie es sich lebt, wenn für freiwillige Aufgaben kein Geld mehr übrig ist.

Die Pflichtaufgaben müssen erfüllt werden, ob die Kommune die Mittel dafür hat oder nicht. Zu einem Teil gibt es die Möglichkeit, die Standards zu senken, also beispielsweise bei Fremdunterbringung in der Jugendhilfe die Zahl der Betreuer pro Gruppe zu senken. Dieser Spielraum ist aber begrenzt, und gänzlich ablehnen kann die Kommune die Aufgabe nicht.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite besteht darin, dass zwei Drittel der öffentlichen Investitionen auf der Ebene der Kommunen erfolgen. Dass nur bei öffentlichen Aufträgen überhaupt die Möglichkeit besteht, eine Tarifbindung einzufordern. Und dass das kommunale Eigentum weit größer ist als das Eigentum des Bundes. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums umfasst das Bundesvermögen 257 Milliarden Euro. Nach Schätzungen der Initiative Gemeingut in Bürgerhand beläuft sich das kommunale Vermögen im Bundesgebiet auf über zwei Billionen Euro, also das achtfache des Bundesvermögens. Das ist lohnende Beute, für die man einiges in Bewegung setzt.

Planspiel

Versetzen wir uns an die Stelle eines der Verdächtigen hinter Privatisierungsplänen, Nestlé oder Bertelsmann. Wir wollen Zugriff auf dieses Vermögen. Es ist uns klar, dass ein offenes Vorgehen nicht gelingt, die Erfahrung des Jahres 2008 hat das belegt. Wie könnte man dennoch Erfolg haben?

Es bräuchte mehrere Voraussetzungen. Auf der einen Seite müsste man dafür sorgen, dass die Kommunen deutlich mehr Geld ausgeben, das sie von niemandem erstattet bekommen. Auf der anderen Seite müsste sichergestellt sein, dass sie sich dieses Geld nicht in Gestalt von Krediten besorgen können. Und zu guter Letzt wäre es ideal, wenn über diese Situation nicht gesprochen werden dürfte, wenn sie einfach schlagartig aufträte, wie ein plötzliches Missgeschick, damit die Bürger der Kommunen vor vollendeten Tatsachen stehen, ehe sie sich dagegen wehren können.

..und ihre Umsetzung

Druck auf die kommunalen Kassen auszuüben geht nur über die Pflichtaufgaben. Wie günstig, dass die Flüchtlinge des Jahres 2015 mit Abschluss ihres Asylverfahrens ins ALG II fallen, das im Bereich der Kosten der Unterkunft eine kommunale Leistung ist. Günstig auch, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Jugendhilfe betreut werden, ebenfalls eine kommunale Leistung. Noch günstiger, dass die Kommunen verpflichtet sind, die anerkannten Flüchtlinge mit Wohnraum zu versorgen; bei einem Wohnungsmarkt, auf dem zwei Millionen Wohnungen fehlen, geht das richtig ins Geld.

Die Verpflichtung zur Unterbringung ist eine ‚Nebenwirkung‘ des §12a Aufenthaltsgesetz, der es ermöglicht, anerkannten Flüchtlingen für den Zeitraum von drei Jahren einen Wohnort vorzuschreiben. So vernünftig der Ansatz einer Verteilung ist, so bösartig ist diese Nebenwirkung. Sie führt zu dem seltsamen Phänomen, dass Kommunen Wohnungen exklusiv für Flüchtlinge bauen. Einheimischen Wohnungslosen gegenüber besteht nur eine Pflicht, sie nachts notfalls unterzubringen, denn sie haben ja theoretisch die Möglichkeit, an einen anderen Ort zu gehen. Praktisch ist das Fiktion, denn keine deutsche Kommune hat eine Mietobergrenze für Bezieher von ALG II, für die es tatsächlich Wohnungen gibt; aber das hat keine rechtlichen Konsequenzen. Die formelle Zuweisung eines Wohnorts zwingt die Kommune also, Wohnraum zu schaffen oder den frei werdenden Wohnraum in Gestalt der noch vorhandenen Sozialwohnungen an diese Personengruppe zu geben. Noch ist diese Tatsache nicht allgemein bekannt; die Wirkung dieses politischen Giftes (die in einer realen Diskriminierung derjenigen, die ‚schon länger hier leben‘ besteht) entfaltet sich mit Verzögerung, aber sie wird sich entfalten. Genau das aber wird wiederum dazu beitragen, dass nicht darüber gesprochen werden kann.

Auch die übrigen Kosten unterliegen einem Sprechverbot. Wer nur nachfragt, gerät schon in den Verdacht des Rassismus. Dabei sind die Kosten erheblich. Im Bereich der Jugendhilfe reden wir von Tagessätzen zwischen hundertfünfzig und zweihundert Euro, pro Kopf. Und der ungeheure Vorteil besteht darin, dass die Grenzen jederzeit wieder geöffnet werden könnten, sollte der erreichte Druck nicht genügen.

Die Problematik, die am §12a Aufenthaltsgesetz hängt, entwickelt sich gerade erst. Noch ist nur ein Bruchteil der Asylverfahren abgeschlossen. Die Kosten, die heute für die Kommunen anfallen, sind also nur ein Teil dessen, was noch kommt. In diesem und dem kommenden Jahr werden sie noch einmal deutlich steigen.

Die Falle

Das alleine wäre zwar eine Belastung der kommunalen Finanzen und würde mit Sicherheit Einbußen für die Bürger bedeuten, aber damit entstünde noch kein Zwang zur Privatisierung. Dafür müssen wir etwas anderes wahrnehmen: die Schuldenbremse.

Mit der Begründung, die öffentlichen Finanzen zukunftsfest zu machen, wurde die Schuldenbremse auf Bundesebene beschlossen und in die Verfassung geschrieben. Bizarrerweise geschah dies zu einem Zeitpunkt, als die Zinsen, die die öffentliche Hand für Kredite zahlen musste, ungewöhnlich niedrig, teilweise sogar negativ waren. Hintergrund ist die neoliberale Vorstellung, der Bereich unter Kontrolle des Staates solle so klein wie irgend möglich sein und alles, was privatwirtschaftlich erledigt werden könne, solle auch privatwirtschaftlich erledigt werden. Praktisch verhindert eine solche Schuldenbremse jede Form kontrazyklischer Politik, verschärft also die Krisen, die der Kapitalismus regelmäßig produziert, weil öffentliche Aufträge den Mangel an privaten nicht mehr ausgleichen können.

Die Kommunen sind die staatliche Ebene, die im Verlauf der letzten 30 Jahre am stärksten ausgehungert wurde. Der Anteil der Kommunen an den gesamten Steuereinnahmen sank von über zwanzig auf knapp über sechs Prozent. Dennoch sind die Kommunen für viele Leistungen zuständig, die die Qualität des alltäglichen Lebens entscheidend beeinflussen; in Bayern sogar für einen Teil des Schulwesens…

Die Schuldenbremse wurde mit einem Zeitplan verabschiedet. Der Bund darf bereits keine neuen Schulden mehr aufnehmen; letztes Jahr wurde mit Jubelschreien verkündet, der Bundeshaushalt habe einen Überschuss erwirtschaftet, statt aufzulisten, an wie vielen Stellen nötige Investitionen unterblieben sind und auf welchen Feldern der Politik die Bedürfnisse der Menschen vernachlässigt werden (nehmen wir nur das Stichwort ‚Altenpflege‘). Ja, der Bundeshaushalt macht Überschuss, und Rentner stocken ihre Armutsrente mit Flaschensammeln auf… das ist volkswirtschaftlicher Unsinn in Reinkultur. Aber das wahre Ziel der Schuldenbremse ist nicht der Überschuss im Bundeshaushalt; die Schuldenbremse ist der Türöffner (oder sollte man sagen, das Brecheisen) für Privatisierungen. Das Gesetz zur Autobahnprivatisierung ist der Musterfall.

Auf Ebene der Länder und der Kommunen tritt die Schuldenbremse 2020 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden.

Nun könnte man ja vorbeugen… also jetzt Kredite aufnehmen, um für 2020 ein ordentliches Polster anzulegen. Aber wie will man diese Kredite begründen? Wenn über die Kosten, die dadurch aufgefangen werden sollen, nicht gesprochen werden darf?

So, und jetzt geht es zu dem Gesetz, das unter Federführung von Sigmar Gabriel noch vor Ende der letzten Legislaturperiode durch den Bundestag gejagt wurde. Es ging dabei nicht nur um Autobahnprivatisierung. In Berlin (ja, immer wieder in Berlin, und wieder einmal unter Beteiligung der Linkspartei) wurde schon vorgeführt, dass damit auch Schulgebäude privatisiert werden können. In diesem Fall hat zwar der Berliner Senat zugesichert, sie würden nicht verkauft, aber die Zusicherung allein lässt schon erkennen, dass das Gesetz einen solchen Verkauf zuließe. Es handelt sich um einen rechtlichen Rahmen, in dem so gut wie alles verkauft werden kann, anteilig oder ganz.

Wenn die Falle zuschnappt

Dass das Sprechtabu hervorragend wirkt, kann man allein daran sehen, dass die Kommunen bisher diese Kosten nicht zum Thema machen. Eigentlich müssten sie das. Denn für durch politische Entscheidungen ausgelöste Kosten muss in der Regel die politische Ebene zahlen, die entschieden hat. Die Entscheidung zur Grenzöffnung fiel auf Bundesebene (ja, und vielleicht auch aus diesem Grund, ohne gesetzmäßige Verfahren einzuhalten), also müssten die Folgekosten aus dem Bundeshaushalt getragen werden. Es sind zwei Jahre ins Land gegangen, in denen die Kommunen zumindest die Kosten im Bereich der Jugendhilfe klaglos getragen und das Fass nicht aufgemacht haben. Es reicht, sich an die Debatte um die Essener Tafel zu erinnern, um zu sehen, wie schnell und völlig unbegründet Vorwürfe eskalieren, wenn einer der kritischen Punkte im Zusammenhang mit Flüchtlingen auch nur gestreift wird. Kein Wunder, dass die Kommunalpolitiker sämtlich auf Tauchstation sind.

Wenn die Schuldenbremse in Kraft tritt, werden auch die Kassen wohlhabenderer Kommunen leer sein. Leer im Sinne von ‚wir können die Pflichtaufgaben nicht mehr schultern‘, nicht bloß leer im Sinne von ‚wir müssen ein Schwimmbad schließen‘. Kommunale Steuereinnahmen lassen sich nicht einfach erhöhen. Kreditaufnahmen sind verboten. Was bleibt? Das Tafelsilber verkaufen. Tafelsilber im Wert von zwei Billionen Euro, in Gestalt von Stadtwerken, Abfallbetrieben, Verkehrsbetrieben, Schulgebäuden, Verwaltungsgebäuden, Stromnetzen, Theatern, Jugendzentren, Sportanlagen, Grundstücken… Man kann sich bildlich vorstellen, wie die Geier Nestlé und Bertelsmann, die Stromkonzerne, die Immobilienfonds über den Städten kreisen und nach den saftigsten Stücken spähen.

Vielleicht gibt es ja die eine oder andere Kommune, die sich dennoch über Wasser halten kann. Aber ich habe Zweifel. Meine Heimatstadt München, gewiss nicht mit Armut geschlagen, hat in den vergangenen Jahren im Schnitt etwa 200 Wohnungen gebaut, kommunal finanzierte Sozialwohnungen. Mehr, so hieß es immer, sei nicht finanzierbar; und bei Bodenpreisen von 5000 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche und sehr begrenzter Grundstücksmenge in der Stadt ist da sogar was dran. Nun, jeder neunte Flüchtling in Bayern entfällt in der Zuteilung auf München; selbst wenn für die nächsten Jahre jede neu zu vergebende Sozialwohnung nur noch an Flüchtlinge ginge, wird das nicht genügen, und mehrere Tausend Wohnungen zu bauen macht sich auch im Münchner Haushalt bemerkbar. Ganz zu schweigen davon, dass die Stadt womöglich klug genug ist, den Giftstachel des §12a AufenthG zu erkennen und versuchen wird, ihn zu ziehen – was aber nur ginge, wenn genug Wohnungen gebaut würden, um auch die einheimischen Wohnungslosen, deren Zahl schon vor 2015 um die 6000 lag, zu versorgen. Das allerdings wird dann noch teurer.

In anderen Städten, all jenen etwa, die in der Vergangenheit gerade mühsam der Haushaltsaufsicht entgangen sind, wird die Kombination aus Flüchtlingskosten und Schuldenbremse unbarmherzig zuschlagen. Abwenden ließe sich das nur, wenn das Sprechverbot rechtzeitig fällt.

Es geht bei einer Verteidigung des kommunalen Eigentums nicht nur um die Lebensqualität der Städte. Es geht auch um Demokratie. In der Kommune gibt es noch die Möglichkeit, mit örtlichen Entscheidungen das Leben der Menschen zu verbessern; Initiativen können mit Aussicht auf Erfolg politische Veränderungen bewirken. Wenn Stadtwerke, Kliniken, Wasserversorgung einmal verkauft sind, gibt es keinerlei Möglichkeit mehr, politische Entscheidungen darüber zu fällen. Einrichtungen, die jetzt noch im Interesse der Bürger arbeiten, arbeiten dann nur noch für den Profit der Eigentümer. Die kärglichen Reste, über die ein Kommunalparlament dann noch entscheiden könnte, sind nicht der Rede wert.

Wie mit der übereigneten Infrastruktur verfahren wird, kann man sich in Großbritannien ansehen. Sie wird ohne Erhaltungsinvestitionen abgenutzt, bis sie funktionsuntüchtig wird. Dann zieht sich der ‚Investor‘ zurück. Denn es handelt sich nicht um produktive Investitionen; es geht nur um den Zugriff auf einen Anteil vergangenen Mehrprodukts, der der Kapitalverwertung entzogen wurde. Das ist eine Enteignung im Interesse der oberen 0,01%.

Opfer einer solchen Entwicklung wären auch Gewerkschaften wie verdi – danach bleibt fast nichts mehr übrig, was unter den Tarifvertrag öffentlicher Dienst fiele. Die Beschäftigten, die jetzt noch ein großer Block sind, der zumindest eine Chance hat, seine Interessen durchzusetzen, wären aufgesplittert auf dutzende Privatbetriebe, von denen die meisten erst gar nicht in einen Arbeitgeberverband gehen dürften.

Und Widerstand?

Vor dem nötigen Widerstand gegen diese mögliche Entwicklung (oder, wie ich das sehe, diese Planung; man darf durchaus darauf vertrauen, dass einer Firma wie Bertelsmann mit ihren gekauften Wissenschaftlern in zehn Jahren etwas einfällt) stehen mehrere Hindernisse.

Das größte ist tatsächlich das Sprechverbot. Wer auch immer diesen Zusammenhang zuerst öffentlich ausspricht, wird einen gigantischen Kübel Dreck über den Kopf bekommen. Wenn die Tatsachen aber nicht sichtbar auf dem Tisch liegen, kann es keinen politischen Widerstand geben.

Das nächste Problem ist organisatorisch. Vor zehn Jahren war eine der wichtigsten Organisationen bei der Abwehr der Privatisierungsversuche Attac, damals eine junge und leistungsfähige Organisation. Inzwischen hat auch Attac in den Auseinandersetzungen mit den allgegenwärtigen Antideutschen schweren Schaden genommen. Die Linkspartei, die damals zumindest noch in großen Teilen auf Seiten der Privatisierungsgegner stand (die Berliner PDL macht gerne den Vorreiter für die Gegenseite), hat sich inzwischen weitgehend aus der konkreten Politik verabschiedet und ist dermaßen antideutsch durchsetzt, dass sie keinen Weg um das Sprechverbot herum finden könnte. Und die AfD würde zwar sicher gerne über die Kosten der Flüchtlinge reden, aber auf gar keinen Fall öffentliches Eigentum verteidigen; im Gegenteil, dieser neoliberale Haufen würde bei diesem Thema plötzlich den Charme der Migration entdecken und die Privatisierung begrüßen.

Anders formuliert, es müsste sich ein völlig neues Bündnis formieren. Nun, es sind noch 18 Monate. Danach fallen wir unter die Räuber.

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